Post aus Saigon: Thu Vân erzählt von ihren Erfahrungen im Lockdown

Hey Dawnie,

mein Name ist Thu Vân und ich bin Team Leader in der Dawn Fabrik in Saigon, Vietnam. Seit Juli befindet sich Saigon, wo meine Familie und ich leben, im Lockdown. Erst seit dieser Woche gibt es langsam Lockerungen. Und trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – habe ich in den letzten Monaten einiges gelernt, vor allem über mich selbst. Deshalb möchte ich Dir heute davon erzählen, wie ich es geschafft habe, mit der Covid-Situation umzugehen.Der Lockdown hat Mitte Juli begonnen und wurde immer strenger und strenger. Das Covid-Virus hat sich rasend schnell verbreitet und immer mehr Leute wurden krank. Wir hatten Angst davor, mit Infizierten in Kontakt zu kommen, da wir in Saigon als Kontaktpersonen nicht mehr zu Hause bleiben dürfen, sondern uns in Quarantänelager begeben müssen. Auch alle Fabriken mussten geschlossen wurden.

Ab dem 20. August beschloss die Regierung, das Militär einzusetzen, um uns in unseren Häuser einzusperren. Wir durften unsere Häuser nicht verlassen, Lebensmittel wurden uns vom Militär bereitgestellt und die Situation wurde schlimmer und schlimmer. In all dieser Angst und Ungewissheit wurde mir schließlich klar, dass dieser Lockdown lange dauern wird. Und mir wurde klar, dass ich zwar die Lockdown-Situation nicht kontrollieren kann, aber sehr wohl beeinflussen kann, wie ich damit umgehe.

Ich habe beschlossen, diese Zeit zu Hause zu nutzen, um an mir selbst zu arbeiten. Ich wollte meine Beziehung zu meinen Kindern verbessern, und habe angefangen, zu diesem Thema Online-Kurse zu besuchen. Dadurch habe ich festgestellt, dass ich nur dann eine bessere Mutter werden kann, wenn ich als Erstes an mir selbst arbeite. Also habe ich Kurse darüber besucht, wie ich ein besserer Team Leader werde und meine Gewohnheiten verändern kann

Für meine Kurse stehe ich jeden Tag um halb fünf Uhr morgens auf und lerne gemeinsam mit anderen Menschen aus der ganzen Welt. Ich habe dadurch neue Freunde gefunden und lerne jeden Tag etwas Neues dazu. Nicht nur mein ganzer Tagesablauf hat sich dadurch verändert. Ich spüre auch, wie ich mich als Person verändere und mir neue Gewohnheiten aneigne.

Ich lerne etwa sechs bis sieben Stunden am Tag, verbringe mehr Zeit mit meinen Kindern, kümmere mich um den kleinen Gemüsegarten auf meiner Terrasse, koche neue Gerichte und mache täglich Sport. Diese neu gewonnene Energie will ich auch auf meine Familie und meine Freunde übertragen. Ich habe meinem Team empfohlen, sich auch für ein paar Onlinekurse anzumelden, und mit einem Lehrer eine Klasse für einige Kinder organisert, in der sie Spiele spielen, Geschichten erzählen und über Dinge sprechen, die sie beschäftigen.

Mehr denn je ist mir in dieser Zeit klar geworden, wie dankbar ich bin. Dankbar für meine Familie und dafür, dass es uns gut geht und wir einen sicheren Job haben, mit dem wir trotz allem ein gutes Leben haben können. Ich habe das Gefühl, das Beste aus dieser Zeit gemacht zu haben, und bin jeden Tag dankbar für diese Entscheidung.

Mit all den besten Wünschen aus Saigon

Thu Vân